Predigt Michael Ott vom 29. Januar 2023

Text: 1.Kön 5,9f und Mt 6,26

 

Liebe Gemeinde,
Auch das noch junge Jahr 2023 wird bisher bestimmt von einem eigentümlichen Zustand zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Zuversicht und Lähmung (auch an einem so schönen Sonntag wie heute, wo wir uns von Herzen über die Taufe von zwei Kindern freuen dürfen). Wir sind in den letzten Jahren von einer Krise in die nächste gestolpert und fühlen uns von den grossen Problemen unserer Zeit manchmal wie umstellt – zuvorderst jetzt seit bald einem Jahr der fürchterliche Angriffskrieg des russischen Diktators auf die Ukraine mit all seinen Entsetzlichkeiten. Dass wir uns Sorgen machen, grosse Sorgen um Krieg und Frieden, die Klimafrage, Ungerechtigkeit und Hunger in der Welt und noch viel mehr – unsere ganz persönlichen Sorgen noch gar nicht eingerechnet – das ist mehr als verständlich. Aber: helfen uns diese Sorgen, oder lähmen sie uns vielmehr? Wie könnten wir so mit ihnen umgehen, dass sie uns nicht in Angst versinken lassen, sondern vielmehr zu Zuversicht und Tatkraft, in ein getrostes Leben führen? Es gibt in der Bibel dazu zwei berühmte weisheitliche Passagen aus dem 1. Buch der Könige von Salomo und der Bergpredigt Jesu, die ich deshalb für die heutige Predigt ausgewählt habe:

 

9 Gott gab Salomo Weisheit und hohe Einsicht und einen Verstand, so weitreichend wie der Sand am Meer, und Salomo redete weise von Blumen, von den grossen Tieren und von den Vögeln.
26 Sehet die Vögel des Himmels an! Sie sähen nicht und ernten nicht und sammeln nicht in Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer aber von euch kann durch sein Sorgen zu seiner Lebenslänge eine einzige Elle hinzusetzen?

 

Liebe Gemeinde,

Niemandem sonst wird im Alten Testament so viel Weisheit zugeschrieben wie König Salomo. Es ist darum für jeden Menschen, der nach Lebensweisheit sucht, interessant, bei diesem grossen König in die Schule zu gehen. In eine Schule, die allerdings nicht Bücherweisheiten und abstrakte Lehren vermittelt, sondern in der von Bäumen, Vieh und Vögeln die Rede ist.
Jesus von Nazareth, hat im Neuen Testament diese Tradition, Lebensweisheit zu lehren, weitergeführt. Auch er hat uns zeigen wollen, worauf es im Leben ankommt – und auch er hat von Bäumen, Tieren und von den Vögeln des Himmels gesprochen.
Sich im Leben weise und richtig zu verhalten, ist nicht schwer, wenn es einem gut geht. Schwieriger ist es, sich in Situationen und Lebensphasen zurechtzufinden, die geprägt sind von Sorgen, Ängsten und Problemen. Dabei ist oft nicht das, was Anlass gibt zur Sorge, die eigentliche Schwierigkeit, sondern – bei vielen Menschen – ein verhängnisvoller Hang, sich von Sorgen und Problemen ganz gefangennehmen zu lassen, und sich auch da noch zu sorgen, wo dazu gar kein Anlass besteht.
Allen diesen Menschen (zu denen wohl nur einige wenige Glückliche nicht gehören) stellt die Bibel "die Vögel des Himmels" als Vorbild vor Augen. Die Vögel machen sich keine Sorgen und leben unbekümmert von einem Tag zum andern. Sie sorgen nicht vor und kennen doch keine Angst vor der Zukunft. Sie leben ein ungesichertes Leben und sind dabei doch glücklich. Und wahrscheinlich gibt diese Sorglosigkeit ihrem Leben ebensoviel Leichtigkeit wie die Tatsache, dass sie fliegen können.
Uns Menschen ist ein solches Leben versagt. Zu unserem Leben gehören Sorgen und Ängste wesentlich dazu. Das stellt auch Jesus nicht in Abrede. Es geht ihm nicht darum, unsere Sorgen als in jedem Fall unbegründet zu bezeichnen, sondern er will uns helfen, damit zu leben und weise umzugehen.
Das tut er, indem er uns eine Frage stellt. "Was erreicht ihr mit eurem Sorgen?" Und wir müssen eingestehen: mit Sorgen allein erreichen wir meistens nichts. Wir ändern damit jedenfalls nichts Wesentliches an unserer Situation oder können, wie Jesus sagt, unserer Lebenslänge damit keine Elle hinzufügen.
Ganz im Gegenteil. Wer sich dauernd übermässig Sorgen macht, pessimistisch ist und immer das Schlimmste befürchtet, zieht, wie man sagt, das Negative manchmal geradezu an. Er blockiert sich und die andern und verhindert mit seiner Einstellung und Haltung oft einen glücklichen Ausgang oder eine Wende zum Positiven. Und Ängste und Sorgen noch zusätzlich zu schüren, war von jeher leider auch das Mittel von Diktatoren und Tyrannen, um Menschen gefügig zu machen und davon zu überzeugen, dass es ja immer noch schlimmer kommen könnte.

So können wir viel lernen von Menschen, die auch in sorgenvollen Zeiten ihres Lebens eine gewisse Gelassenheit bewahren. Ihre Offenheit für alle Möglichkeiten, ihre Fähigkeit, auch das Positive zu sehen, hilft ihnen, ihre Probleme besser zu lösen und kraft- und wirkungsvoller das zu tun, was dazu nötig ist. Sich übermässig zu sorgen hat oft mehr mit dem Menschen selber, mit seinem Wesen, zu tun als mit dem, was ihm zur Sorge Anlass gibt. Es gibt Menschen, die sich wegen Kleinigkeiten in grosse Sorge stürzen und andere, die auch mit grossen Sorgen eine heitere und gelassene Zuversicht bewahren.
Wie gesagt, wir können zwar nicht verhindern, dass die Sorgenvögel – die gibt es nämlich auch – hin und wieder über unseren Köpfen kreisen. Aber wir können verhindern, dass sich diese Sorgenvögel auf unseren Köpfen niederlassen und Nester zu bauen beginnen.
Denn wer dazu neigt, sagen Salomo und Jesus doch sinngemäss, sich viel und immer wieder Sorgen zu machen, der solle sich prüfen, ob er sich selber oder das, worum er sich Sorgen macht, nicht zu wichtig nehme und sich und das, was er mit seinem Kümmern und Sorgen erreicht, nicht überschätze.
Von den Vögeln des Himmels lernen, könnte doch heissen: Sich selber und das, was einen belastet, nicht so wichtig zu nehmen, sondern offen zu bleiben für das Leben und seine Möglichkeiten, das uns Gott geschenkt hat. Aus solchem Vertrauen in unseren Schöpfer und in seinen guten Plan auch für Dich und für mich müsste doch auch unser Leben etwas von der Leichtigkeit bekommen, die uns an den Vögeln des Himmels so beeindruckt. Und so hilft uns Jesus hier mit seiner Fürbitte und seinem Einstehen für uns aus einer Existenz voller Sorgen und Angst in ein Vertrauen und einen getrosten Glauben, aus dem unerschrockene Tatkraft erwächst. Denn das Licht ist stärker als alles Dunkle, die Solidarität und das Zusammenstehen der Menschen weltweit stärker als alle Gewalt. Dieses Zusammenstehen ist letztlich das Einzige, das Zukunft hat und Zukunft schafft.

Halten wir uns also im angefangenen Jahr 2023 getrost und erst recht an diese Verheissung – allen Krisen und Nöten dieser Zeiten zum Trotz.  Bleiben wir dran an unserer Arbeit zum Frieden, zur Gerechtigkeit und zur Bewahrung der Schöpfung und fürchten uns nicht – fröhlich und inspiriert durch den, auf den das Wunder allen Lebens zurückgeht! Ich wünsche uns allen zu solchem Tun immer wieder von neuem viel getrosten Mut, Rückenwind, einen langen Atem – und Gottes Segen und Hilfe dazu. Amen.